Sonntag, 6. Mai 2012

Die Geschichte - Teil 66 - Der Abschied

Am 24.05.2004 traf es alle Onkelz-Fans wie eine Klinge ins Herz. Die Onkelz kündigten ihren Rücktritt an. Das kurz vor der Veröffentlichung stehende Album "Adios" sei das letzte ihrer Karriere und die folgende Tour würde ebenfalls die letzte sein.
Es flossen viele Tränen. Die Gästebücher verschiedener Fanpages quollen über von Bitten nicht aufzuhören. Hysterische Hilferufe der Fans, die das davon schwimmen sahen, was ihnen in ihrem Leben so unglaublich viel bedeutet hatte. Man konnte sich ein Leben ohne die 4 Frankfurter einfach nicht mehr vorstellen. Sie, die so viel für jeden von uns getan haben, unser Leben bereicherten und veränderten, von denen wir so viel gelernt haben, sollten einfach nicht mehr da sein ? UNVORSTELLBAR !! Aber dennoch grausame Realität.
Nach ca. 4 Wochen legte sich die Ohnmachtstrauer und die knüppelharte Realität holte einen ein. So viele Fragen, so viele Dinge die erledigt werden mussten. Die kommende Tour würde die letzte sein ? Karten mussten her, und zwar dringend !
Aber erst mal lies das Album noch auf sich warten. Zuerst kam die Single "Onkelz vs Jesus" auf den Markt. Eine Zeitreise der Onkelz durch ihr Leben.

Am 26.07.2004 war es dann soweit. Das letzte Album der Helden kam raus. "Adios" schoss von Null auf Platz 1 der Charts und niemand konnte sich der Stimmung des Albums entziehen. Es war wirklich ein würdiger Abschluss. Nicht betrauernd, sondern Mut für die Zukunft zusprechend. Die alten selbstdarstellerischen Texte, bei denen die Onkelz sich selbst feierten, fehlten genauso wenig wie Kritik gegen die Medien, Reflektionen der eigenen Vergangenheit und der Zukunft aller, Rechtsradikalismus, Zusammenhalt der Onkelz mit den Fans und der Fans untereinander. Zu guter letzt wurde mit dem Lied "Ihr hättet es wissen müssen" ein Lied geschrieben, mit dem man sich von seinen Fans verabschiedete. Es war direkt an die Fans gerichtet und man bedankte sich darin für die Freundschaft der vergangenen 24 Jahre. Bei den wenigsten blieben die Augen bei diesem Lied trocken.

Die nachfolgende Tour war innerhalb weniger Wochen ausverkauft. Die Hallen brechend voll. Auf dieser Tour war alles anders als jemals zuvor. Jedes Lied wurde noch fanatischer mitgesungen als sonst. Die Stimmung war bei jedem Konzert absolute Spitze. In Dortmund und beim letzten Konzert in Hamburg setzten oder knieten sich die Fans in der ganzen Halle als ultimative Respektsbekundung und Dankbarkeitsbezeugungen auf den Boden, als Stephan die Ansage zum letzten Lied "Ihr hättet es wissen müssen" machte.
Welch asozial geiler Anblick. Tausende von Fans auf den Knien vor ihren Idolen. So ging das letzte Konzert der letzten Tour zu Ende. Die Welt war um einen grandiosen Live Akt kleiner. Vielleicht um ihren größten.

Die Onkelz kündigten schon vor der Tour an, zwei Abschiedskonzerte im Jahr 2005 auf dem Eurospeedway Lausitz zu geben. Ein großes Festival mit diversen Gast-Bands. Etwas Großes, wie es die Onkelz waren, verdiente auch eine große Abschiedsparty. Die Karten waren innerhalb weniger Tage ausverkauft. Über 100 000 Karten. Seit dem warteten die Fans ungeduldig aber auch voller Angst auf diesen großen Tag.
Was sollte danach sein ?

Lausitz würde etwas Gigantisches werden, soviel war sicher. Für viele Menschen einer der traurigsten Tage, die man je erlebt hat (auch für mich).
Aber trotzdem eine riesen Party.
100 000 Onkelz-Jünger auf einem Fleck. Auto Korsos wurden geplant, Bahntickets bestellt, und alle Utensilien zusammengestellt, die man brauchte. Zelte, Bierkästen, Onkelzklamotten und und und . . .
Dann war es soweit.


 
15.06.2005
Die Autobahnzubringer waren verstopft, Lausitz und Umgebung hatte so etwas noch nie erlebt. 120 000 Menschen wollten kommen. Die meisten mit Ticket. Manche schmuggelten sich so herein. Aber wer konnte es ihnen verdenken. Jeder Fan wollte dabei sein. Die ersten Fans trafen am Mittwoch Mittag ein. Die Zelte wurden aufgebaut und die Party des Jahrtausends konnte starten.
Überall Onkelz-Fans zusammen, die Party machten. Tätowierte Härtner, langhaarige Metaller, Gymnasiasten, Normalos, Außenseiter . . . Alle wollten nur feiern. Und das tat man bis zum Umfallen.
Überall schallte Onkelz-Musik aus den Autos, Ghettoblastern und den Kehlen der 120 000 Anwesenden.
Ein riesiges Gelände. Eine Onkelz Stadt !

Diese Party zog sich bis Freitag Abend hin. Da kamen nach etlichen Vorbands zum ersten Mal die Onkelz auf die Bühne. Der erste Abend war den ersten 12 1/2 Jahren ihrer Karriere verschrieben und dementsprechend war auch die Song-Auswahl. Aus 120 000 Kehlen klang synchron jede Strophe eines jeden Liedes der Onkelz ! Viele Vorbands hatten so etwas noch nicht gesehen. Fast 3 Stunden lang wurde jedes Lied mitgesungen.
Der Abend war grandios.


Am Samstag wurde der Tag mit Vorbands überbrückt bis die Onkelz kamen. Die Stimmung war komisch. Man spürte das Ende mit jeder Faser seines Körpers näher und näher kommen. Ein bedrückendes und beklemmendes Gefühl. Heute Abend würden die letzten Noten der Onkelz erklingen und man hörte das letzte Mal Kevins Stimme, wie sie einem "live" Geschichten ins Ohr flüsterte. Melodische Geschichten von Trauer, Wut, Rebellion und Stolz. Von Freude, Glück, Hoffnung und wahrer Freundschaft.

Die Onkelz kamen spät Abends auf die Bühne. Die zweiten 12 1/2 Jahre. Wieder wurde jedes Lied mitgesungen. Man erlebte das letzte Konzert der Band wie in einer Art Trance. Jedem war klar, dass man in diesem Moment Geschichte schrieb. Wieder fast 3 Stunden Onkelz vom Feinsten . . . Fan aus tiefstem Herzen zu sein, war etwas was man nicht beschreiben konnte, sondern nur fühlen und in diesem einen speziellen Fall auch zeigen konnte. Man zeigte den Onkelz, was sie einem bedeuteten. Indem man ihnen ein Fest gab, bei dem jeder nur das Ziel hatte, seinen Idolen einen würdigen Abschied zu geben. OHNE Schlägereien, OHNE Randale, OHNE Notwendigkeit eines Eingriffes seitens der Polizei. Etwas, was viele Zweifler vorher für unmöglich gehalten hatten. Das ganze Wochenende verlief friedlich. Alle 120 000 Menschen waren eine Familie. Keine Fans, EINE FAMILIE !
Dann . . . kurz vor Ende setzte Stephan zur ultimativen Abschiedsrede an und allen Fans steckte ein Kloß im Hals, der so groß wie ein Fußball zu sein schien.

120 000 Menschen knieten sich hin und schrieen : "WIR DANKEN EUCH !" wie aus einer gigantischen Kehle. Ein Augenblick und eine Akustik, die man unmöglich vergessen kann. Eines der emotionalsten Ereignisse das man sich vorstellen kann. Während das letzte Lied "Ihr hättet es wissen müssen" lief, bei dem Kevin schon vor lauter Tränen und Trauer keine Stimme mehr hatte, sah man kaum einen, der nicht Rotz und Wasser heulte. Das war der stillste Moment der letzten 4 Tage. Aber auch diese Melodie flachte irgendwann ab, die Töne wurden leiser und plötzlich war es aus ! Im wahrsten Sinne des Wortes. Die Onkelz gab es nicht mehr. Nach dem Outro "A.D.I.O.Z.", während dem sich die 4 Frankfurter noch mal unten im Graben bei den Fans verabschiedeten, erklang plötzlich der erste Ton des Instrumentalliedes "Baja". Rechts von der Bühne startete ein riesiges Feuerwerk. Minutenlang krachte eine Rakete nach der anderen am Nachthimmel über dem Lausitzring in 1000 Stücke. Und die Tränen der Fans wollten nicht weniger werden.  . . . man dachte auch an alle Fans, die zu Hause in diesem Moment an die Onkelz dachten und das, was sie gerade verpassten. Aber jeder Fan war im Geiste an diesem Abend vor der Bühne. Alle waren E.I.N.S. und dieses Gefühl nahm man mit in die Zukunft.


Als auch die letzte Rakete die Welt verlassen hatte, machte man sich nach 5 Minuten langem Ohnmachtsschweigen wieder zurück zu seinen Zelten. Über 100 000 Menschen brachen zu einem der schwersten Gänge ihres Lebens auf. Dem Gang in eine neue Zeitrechnung, dem Gang in eine neue Welt, dem Gang, in ein Leben ohne Onkelz. Die Musik blieb, aber zurück blieb dieses ungute Gefühl, etwas wichtiges verloren zu haben. Zu WISSEN das "Die Onkelz" da sind. Man irgendwann wieder neue Noten hören würde. Zu WISSEN, dass irgendwo dort Draußen, 4 Frankfurter Jungs sind, die wissen, wie es ist, so zu sein wie man selbst. Anders ! Dieses Gefühl fehlte nun. Und dieses Gefühl war ätzend.
An diesem Abend wurde nur noch wenig gefeiert. Für die meisten gab es nichts mehr zu feiern. Für die meisten war jetzt Zeit zu trauern.


 
Vaya Con Tioz war vorbei, . . . die Onkelz waren Geschichte.


Mittwoch, 2. Mai 2012

Die Geschichte - Teil 65

Ende der 90er nahmen Media Markt und WOM die Platten wieder in den Verkauf. In den folgenden Jahren brachten die Onkelz mehrfach ihre Ablehnung gegenüber "Extremismus jeglicher Art" zum Ausdruck, nahmen an mehreren Rock-gegen-Rechts-, sowie Rock-gegen-Gewalt-Konzerten teil und engagierten sich in sozialen Projekten. Die Band bezog Position als Außenseiter die jede Art von Politik vehement ablehnt.



Die Band erwarb sich mit der Zeit eine große Fangemeinde. 1998 verkaufte sie von ihrem Album "Viva los Tioz" innerhalb der ersten 48 Stunden nach Verkaufsstart über 300 000 Exemplare, womit sie zum ersten Mal Platz 1 der deutschen Charts erreichte. Nach dem Vertrag mit dem Plattenlabel Virgin, der nach 3 Studioalben 1998 auslief, gründete die Band ihr eigenes Label "Rule 23", Virgin übernahm weiterhin den Vertrieb. Rule 23 wurde später in "Regel 23" umbenannt.

Ein Höhepunkt der Kontroverse um ihre Vergangenheit war der 8. August 2003, als die Onkelz beim Konzert auf dem EXPO-Gelände in Hannover als Vorgruppe der Rolling Stones auftraten. Ein auflagenstarkes amerikanisches Blatt schrieb : "Nazi-Punk-Band opens the Stones".



Die offizielle Bandbiographie "Danke für Nichts" wurde veröffentlicht. 1998 folgte die Single "Terpentin" und das dazugehörige Album "Viva los Tioz". Beide waren wieder mal Gassenhauer erster Klasse. Die CDs verkauften sich immer besser und die Konzerthallen wurden seit langem immer größer. Das Album konnte man getrost als durchweg positiv bezeichnen. Die Stimmung auf dem Album war ausgelassen und man hörte, dass es den Jungs tierischen spaß gemacht hatte, das Ding einzuspielen.

2000 folgte der krasse Gegensatz zu dem positiven "Viva los Tioz" - Album. "Ein Böses Märchen aus tausend finsteren Nächten", war dunkel, depressiv und melancholisch. Dies drückte sich unter anderem schon im Titel der passenden Single-Auskopplung "Dunkler Ort" aus. In eine ähnliche Kerbe schlagend wie damals ("Es ist soweit"), aber wesentlich reifer und sozial kritischer. Die Themen globaler und weitreichender. Man machte wieder mal auf Misstände aufmerksam, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen.

2001 gab es wieder ein Best-of-Album der Band. "Gestern war heute noch Morgen" umfasste 3 CDs. Die Onkelz wollten den Fans die Möglichkeit geben, dich ein möglichst umfangreiches Bild ihres bisherigen Schaffens machen zu können.
2002 wurde "Dopamin" veröffentlicht. Zum ersten Mal mit eigenem Plattenlabel "Rule 23" Records. "Dopamin" war wieder etwas ganz anderes. Stilistisch mehr mit Synthesizer und Keyboards und durchweg gute Laune Mukke. Bei diesem Album warf man den Onkelz vor, weicher und umgänglicher geworden zu sein, weil es doch deutlich weniger hart und rebellisch als die vielen Vorgänger-Alben war. Die Onkelz reagierten sehr ungehalten über diese Vorwürfe. Die Onkelz sagten, sie haben noch nie in erster Linie Musik für ihre Fans gemacht, sondern zu allererst mal für sich selbst. Die Stilveränderungen hielten sie für richtig und man berief sich auf die persönliche Weiterentwicklung der Musiker. Damit hatten sie ihren konsequenten Weg fortgesetzt, sich niemandem zu beugen oder zu rechtfertigen. Nicht einmal ihren eigenen Fans. Und für diese ehrliche Entschlossenheit und Konsequentheit liebten sie die Fans nochmal ein Stück mehr.

Zur gleichen Zeit, und zur Single-Auskopplung "Keine Amnestie für MTV" gab es eine Aktion der Onkelz in München, bei der demonstrativ auf einem großen Platz hunderte von Fernsehern verschrottet wurden. Es waren viele Onkelz-Fans anwesend, es war Polizei anwesend aber es war doch friedlich. Stephan wollte damit seiner Wut über den Fernsehsender Ausdruck verleihen, die in jüngster Vergangenheit erst vorgetäuscht hatten, sich objektiv mit den Onkelz auseinander zu setzen. Es wurden sogar Interviews geführt. Doch der darauf folgende Bericht bei MTV spottete jeder Beschreibung.