Donnerstag, 12. April 2012

Die Geschichte - Teil 62


". . . Für mich repräsentiert die Kirche eher Machtgier, geheucheltes Machtgefühl und Geldgeilheit als Gott und Nächstenliebe. Ich rede hier nicht von Christen, die ihren Glauben wirklich leben, sondern von einem Unternehmen mit eigenem Staat. Der Papst ist der Verwalter dieser Firma, die ideologisch längst bankrott ist. Die Kirche ist womöglich die reichste und mächtigste Organisation unter unserem Himmel, doch leider sehen Bedürftige nur einen verschwindend geringen Bruchteil davon. Nur Moslems und Christen führten Glaubenskriege. Dabei ging es nicht nur darum, andere zu missionieren, sondern um Territorien und Bodenschätze, kurz um Macht. Religion ist für mich nichts anderes als eine psychologische Heilkur. Sie antwortet auf die Urängste der Menschheit. Gerade in ländlichen Gebieten wird die Einfältigkeit, der Aberglaube, die Schwäche der Menschen und ihre Angst vor dem Tod auf das Übelste ausgenutzt. Wer glaubt, dass die Kirche nur Gutes tut, hat sie nicht mehr alle. Es liegt mir fern, Gläubige mit diesen Zeilen oder meinem Text beleidigen zu wollen, aber ich wähle in den meisten Fällen solche krassen Worte, um auch deren Gehör zu erlangen, die auf einem Ohr taub bzw. auf einem Auge blind sind. Wenn alle Kirchengläubigen beginnen, vor ihrer eigenen Haustür zu kehren, ihren Glauben zu hinterfragen, anstatt blind Götzen anzubeten, fange ich an, meine Meinung zu ändern."
(Stephan Weidner über den Song "Kirche")

Die Böhse Onkelz Deutschland-Tour, im Herbst 1995, verlief sehr erfolgreich. Ausverkaufte Häuser von Kiel bis Wien. Über 100 000 Fans sahen die Band in mehr als 20 deutschen Städten. Die Polizei hielt sich im Hintergrund, und nach den Konzerten blieb den Hauptkommisaren meistens nichts anderes übrig, als Thomas Hess für die hervorragende Zusammenarbeit zu danken.
Die Rock Hard Leser wählten die Böhsen Onkelz im Frühjahr 96 mit Abstand zur "beliebtesten Band 1995" und Stephan Weidner zur "Persönlichkeit des Jahres". Der Onkelzkult war angesagter denn je. Was andere Bands an Glaubwürdigkeit vermissen ließen, die beste Stimmung, die größte Party, war nur bei den Onkelz zu finden. Es war zwar schon die ganze Zeit so gewesen, aber 1995 war das Jahr, in dem es sich überall herumsprach. "Hier sind die Onkelz" stand im Sommer 96 kurz vor der Vergoldung.

"Opium für´s Volk", die 96er Veröffentlichung der Toten Hosen, stand wochenlang auf Platz 1 der deutschen Charts. ". . . ich will nicht ins Paradies, wenn der Weg dorthin so schwierig ist . . ." das war genau das, was sie den Hosen übelnahmen. Diese lappenhafte Einstellung. Der Weg war schwierig und deshalb wollten sie ihn nicht gehen. Das sagte eigentlich alles über die innere Einstellung der Toten Hosen aus. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die Onkelz niemals über die Toten Hosen oder andere Musiker, die ihnen feindlich entgegen kamen, gesprochen oder sich zu irgendeinem Kommentar hinreißen lassen. Weder in Interviews, noch auf der Bühne, obwohl es genug Gelegenheit und Gründe dafür gegeben hatte.

"Die Band Böhse Onkelz erregte durch ihre ausländerfeindlichen Texte Aufsehen."
(Herbert Gröhnemeyer)

"Entscheidend ist doch, dass sich diese Band in einem Bestimmten Umfeld bewegt, da ist mir auch egal wie sie selber über diese Sachen denken oder reden. Und auf einmal verkaufen sie wahnsinnig viele Platten, und da frage ich mich, ob das vielleicht alles Leute sind, die morgen die nächsten Brandbomben schmeißen. Ich habe in ein paar Stücke reingehört und finde die Musik absolut grauenhaft."
(Wolf Maahn)

"Gerade mit den Onkelz ist das so eine Sache. Ich will von denen ganz offensiv hören : Alle Rechten sind Scheiße. Und das habe ich von denen noch nicht gehört . . ."
(Die Toten Hosen)

". . . zwischen Störrkraft und den Onkelz steht  ´ne Kuschelrock LP . . ."
(Aus dem Song "Schrei nach Liebe" von den Ärzten)

Dazu kam noch eine Reihe von Hasslieder gegen die Onkelz aus der rechten Szene. Dennoch hatten sie eine Konfrontation vermeiden wollen. Die meisten Aussagen waren so dumm, dass man bei den Onkelz nur darüber lachte. Jedenfalls eine Zeitlang. 1996 aber war das Maß voll. Campinos unüberlegte Aussage im Playboy und an anderer Stelle brachte das Faß zum überlaufen. In gewohnter Weise bekamen die Toten Hosen genau das, was jeder in so einem Falle bekam. Einen Onkelzsong, einen musikalischen Gruß, eine Weidneransage.


Die Presse bauschte diese kleine Meinungsverschiedenheit gewaltig auf und sprach vom "Onkelz-Hosen-Krieg". Stephan wollte mit diesem Lied einfach nur einen Schlußstrich ziehen. Immerhin gab es bereits Anfang 93 eine Anfrage der Onkelz an das Hosenmanagement, ob man sch nicht mal zusammensetzen sollte, um über die "Dinge" zu reden. Erst als dieser Versuch einer Annäherung von Campino zurückgewiesen worden war und die Angriffe der Hosen in der Presse nicht aufhörten, entschieden sich die Onkelz zu diesem Schritt.

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