Sonntag, 20. November 2011

Die Geschichte Teil 49

Am 30. August 92 traten die Onkelz in der Eissporthalle in Aalen auf. Es war der Auftakt zur ersten "Böhse Onkelz-Deutschland-Tour in 12 Jahren Bandgeschichte. 4500 Fans waren gekommen. Die Zahl der Zuschauer hatte sich seit dem letzten Jahr also vervierfacht.
Anfang September erschienen die "Heiligen Lieder" auf dem deutschen Markt und waren, wie ihre Vorgänger, nur schwer erhältlich. Die großen Ladenketten, allen voran WOM, Saturn Hansa und Karstadt boykottierten die Platte verhement. Nach wie vor gab es keine Rundfunkeinsätze, keine Video- oder Fernsehbeiträge. Als Thomas Hess mit Stephan Weidner und Stefan Siebert im Sommer die Tour geplant hatten, waren sie von Zuschauerzahlen zwischen 800 - 1500 pro Show ausgegangen. Das erste Konzert in Aalen hatte bereits gezeigt, dass diese Einschätzung viel zu niedrig gewesen war. Der nächste Gig war für den 13. und 14. September in der Frankfurter Music Hall geplant, eine Disco, in der nicht mehr als 900 Leute Platz hatten. Es wäre das erste Mal seit 11 Jahren gewesen, dass die Onkelz in ihrer Heimatstadt gespielt hätten.
Die Konzertkarten waren nach ein paar Tagen ausverkauft, und die Anfragen rissen nicht ab. Als das B.O. Management das Konzert auf den 15. 9. verlegte und dazu die größere Hugenottenhalle angemietet hatte, stellte sich die Stadt quer. Aus Angst über das "gefährliche Rechts-Außen Potential", das sich angeblich zu gleichem Anlass schon in Aalen angesammelt hätte, kündigte die Stadt, unter dem Vorwand, dass die Saalmiete nicht rechtzeitig bezahlt worden wäre, den Mietvertrag. 3000 Karten waren bereits verkauft worden, und Die Bild schürte mit der Schlagzeile, "Auftrittsverbot - Neu Isenburg zittert vor den Böhsen Onkelz" noch das Feuer. Nach dem 15. 9. konnte die Presse nichts anderes berichte, als das die 500 umsonst angereisten Fans friedlich blieben. Natürlich waren viele frustriert, aber die Tatsache, dassStephan hingefahren war, sich persönlich mit den Fans unterhalten und bereitwillig Autogramme gegeben hatte, entschädigte so manchen. Dem Neu Isenburger Beispiel folgten die Städte Mainz und Erlenbach. Der Versuch dieser Städte, die geplanten Konzerte gerichtlich verbieten zu lassen, wurde jedoch in letzter Instanz abgewiesen. Kaiserslautern, Mainz und Erlenbach konnten ohne Zwischenfälle, allerdings nur unter der schweren Last einer zwiespältigen Presse durchgeführt werden.

". . . Städte zittern vor den Böhsen Onkelz
Randale in Aalen / bei Konzert in Mainz keine besonderen Vorkommnisse / Großeinsatz der Polizei . . . (Wiesbadener Kurier)

". . . Feuerzeuge kein Fackelzug . . . Böhse Onkelz und friedliche Anhänger . . ." (Mainzer Rhein Zeitung)

". . . Neudeutscher Name - Altdeutsche Gesinnung . . . Band ist neudeutsch und bedeutet Musikgruppe . Eine Formation also, die Melodisches, Klangvolles produziert. Wenn dieses Produkt dann in keinster Weise an Musik erinnert, muss sich die Band etwas anderes einfallen lassen, um mit Tonträgern und Konzertkarten Geld verdienen zu können. Die Böhsen Onkelz, die dem Erlenbacher Turnverein zwei beinahe ausverkaufte Hallen bescherten, sind Meister dieses Geschäfts . . . Die im Vorfeld geäußerten Befürchtungen bestätigten sich nicht, selbst die 200 Landes- und Bereitschaftspolizisten hatten einen ruhigen Abend . . ." (Erlenbacher Tageszeitung)

". . . Ganz normales Hard-Rock-Konzert - Befürchtungen wegen Böhse Onkelz waren unbegründet . . ." (Tageszeitung)

Ein wichtiger Aspekt zur Beurteilung der Presse, im Falle der Böhsen Onkelz, war sicher die mangelnde Kenntnis der Journalisten. Die wenigsten von ihnen besuchte regelmäßig Rockkonzerte und von den Böhsen Onkelz hatten die meisten von ihnen nie zuvor gehört. Wenn ein Journalist den Auftrag hatte über dieses Thema zu schreiben, dann schrieb schon mal der eine vom anderen ab, ohne auch nur jemals einen Song der Band gehört zu habe. Dazu kam, dass jeder, der sich als Journalist positiv über die Onkelz äußerte, damit rechnen musste, dass seine Kollegen ihn schnitten oder ebenfalls diffamierten.
Wolfgang Stach war einer der wenigen Journalisten, der die Distanzierungsversuche der Band nicht als Heuchelei darstellte, sondern Toleranz und Einsicht forderte :
". . . Eine der erfolgreichsten deutschsprachigen Rockbands musste Konzerte aus Angst vor Krawallen absagen.  . . . obwohl die Gruppe auch nach Erkenntnissen des Bundesverfassungsschutzes nie rechtsradikale Lieder veröffentlichte, sich 1988 wegen zu starker Rechtstendenzen von der Skinheadszene lossagte und sich zu einer reinen Heavy-Metall-Band entwickelte, hängt ihnen die Vergangenheit immer noch nach . . . Die linke Szene machte mobil, Demonstranten drohten mit Randale und hatten Erfolg. Mehrere Konzerte wurden von den Hallenvermietern aus Angst vor Schäden abgesagt. . ."

Knappe 4 Wochen nach der Veröffentlichung hatten sich die "Heiligen Lieder" 200 000 mal verkauft. Am 29. 9. 92 standen sie auf Platz 5 der deutschen Top 100. Ein Vorgang, der, bedenkt man die Boykotte, mit denen das Album belegt wurde, in der Geschichte der deutschen Rockmusik einzigartig war.


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