Dienstag, 27. September 2011

Die Geschichte Teil 45

Als die Böhsen Onkelz im Juni 92 nach Hennef bei Bonn reisten, um die Songs für ihr 8. Studioalbum aufzunehmen, wusste niemand außerhalb der Band, wie schlimm es wirklich um ihren Sänger stand. Kevins Eskapaden und Exzesse waren nicht mehr zu überbieten gewesen. Ständig hatten ihm Tod oder Kollaps gedroht. Allmächtiger, was hatte dieser Mensch einen Bock auf seinen Tod gehabt. Als Sänger der Onkelz trug er für gewöhnlich den Mantel des Härtesten und er trug ihn gerne, aber das war seit Trimmis Tod vorbei. Er war am Boden zerstört, im Keller. Auf dem Weg ins schlimmste, asozialste Elend, in das ein Mensch nur abrutschen konnte. Seit zwei Jahren war Kevin Fixer und schwerer Alkoholiker. Die Aura des Härtesten war von ihm gewichen und darunter kam die Nacktheit des Traurigsten zum Vorschein. Wann immer im Zusammenhang mit den Böhsen Onkelz von der Hölle die Rede gewesen war, dann war es Kevin gewesen, der am weitesten in diese Hölle vorgedrungen war. So weit, dass er nicht ohne fremde Hilfe und nicht ohne schwere Verstümmelungen an Leib und Seele zurückkehren konnte. "Golden Sword" war schnell zur Kloake verkommen. Kevin war aus der 28 ausgezogen und hauste nun im Hinterzimmer seiner Tattoobude. Seine Kunden brüllte er an und warf sie aus dem Laden, oder er ließ sich von ihnen das Geld im voraus zahlen, lief damit zum Dealer, setzte sich einen Schuss und fing dann erst an zu stechen.Zweimal hatte er bereits versucht zu entziehen. Als er anfing durchzudrehen und die Schmerzen unerträglich wurden, gab es keinen Menschen auf der Welt, der ihn davon hätte abhalten können, sich erneut Heroin zu besorgen. Er hatte schon lange die Kontrolle über sein Leben verloren. Im Sommer 92 traten die junkieüblichen Verletzungen auf. "Druff" wie der krasseste Bahnhofspenner flog er durch die Glastür vom Golden Sword und schnitt sich den Ellenbogen auf. Genauso druff lief er dann in die Bullenwache nach nebenan und flatschte seinen triefenden Arm auf die Theke. Da hingen Fleischstücke heraus, Sehnen waren durchtrennt. Das war nur der Anfang. Kevin zahlte seine Rechnungen nicht mehr und schnell waren Strom und Wasser abgestellt. Bald wusste er auch nicht mehr, wieviel Kohle er welchem Dealer schuldete. H-Dealer waren ja keine harmlosen Männer, schon gar nicht in Frankfurt. Das waren Leute, die überhaupt keinen Spaß verstanden, bei denen Knarre und Messer locker saßen. Extrem verspannte Typen. Irgendwann war die Tür vom Golden Sword aufgebrochen und irgendwann standen zwei von diesen Dealern auf der Matte. Kevin konnte gar nicht so schnell gucken, wie sie ihm eine Metallstange ins Genick schlugen und seinen Laden zerlegten.



Was außerdem niemand wusste, der Bassist und Songschreiber der Band war kurz vor dem Überkochen. Stephan war außer sich vor Wut und Enttäuschung über die Ereignisse der letzten Jahre. Der Tod Trimmis, das Drama um Kevin und all das, was über ihn in der Presse zu lesen war, hatte ihn an den Rand der Belastbarkeit gebracht. Seine Telefonnummer hatte sich unter den Fans herumgesprochen und sein AB hätte auch der einer Telefonseelsorge sein können. Da gab es reihenweise Fans, die ihre Nöte und Ängste auf sein Tape schluchzten. Junge Mädchen, die sich das Leben nehmen wollten, und Mütter, die um einen Rat baten, der ihnen vielleicht die Kontrolle über ihre missratenen Söhne zurückgeben könnte. ". . . ich dachte, vielleicht könnten sie ja einmal mit ihm reden . . ."

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