Montag, 19. September 2011

Die Geschichte Teil 44

Rainer Funk, zu dieser Zeit Redakteur beim Metal Hammer, war ein Onkelzfan, das war offensichtlich. Er fand, dass es an der Zeit war, die Medien endgültig aufzuklären. Er besuchte eine Pressekonferenz, die Bellaphon anlässlich der Präsentation der "Wir ham noch lange nicht genug" veranstaltete und verfasste einen Bericht, der so positiv war, dass die M.H.-Redaktion ihn ändern musste.
". . . umso erstaunter war ich über die neue Offenheit, welche endlich das nötige Licht in die eigene Vergangenheit brachte, die, so hatte es bisweilen den Anschein, der Gruppe wie ein Mühlstein um den Hals hängt . . ."
Mike Seifert vom "Rock Hard-Magazine" war auch anwesend. Er machte noch einmal den Vorschlag mit der Namensänderung, worauf Stephan und Gonzo antworteten :
" . . . Es wurde in der Presse aufgrund einer gewissen Unbedachtheit unsererseits vieles über uns einfach so dargestellt, ohne dass es umfassend recherchiert worden wäre. Das heißt, ich kann gar nicht sagen, dass ich mich von so vielem distanzieren muss, denn ich finde nicht, dass wir so viele Dinge gemacht haben, die das rechtfertigen, was letztendlich über uns gesagt wird. Ich krieg Presseberichte in die Hand, wo über Ausschreitungen nach Konzerten von uns die Rede war, wo Ausländerheime zerschlagen wurden, an Orten, wo wir niemals gespielt haben . . .
. . . es wäre ziemlich einfach und verlogen gewesen, einen anderen Namen zu wählen . . ."
Am Ende seines Artikels im Rock Hard kam Seifert zu dem Schluss :
". . . Es liegt nun an den Lesern sich ein eigenes Bild zu machen. Ich persönlich, der ich nun alles andere als ein Freund rechtsgerichteter Gesinnung bin, möchte nur soviel sagen : Mir sind Leute, die ihre eigenen Fehler einsehen lieber, als z.B. jene, die den Spruch "Fascho verrecke!" draufhaben, der nur eine Umkehr des Nazi-Slogans "Juda verrecke!" ist und somit keinen Deut besser . . ."


Wie massiv die Presse 1991 bereits polemisierte, war in zahlreichen Tageszeitungen nachzulesen. Die Fachblätter dagegen waren distanziert und kritisch, aber durchaus tolerant und gewillt, die "neue" Ausrichtung der Band zu akzeptieren. Ein Heavy-Metal-Blatt machte da allerdings eine traurige Ausnahme. Der "Metal-Star" schlug in die alte Kerbe. Er veröffentlichte die von ihm kommentierten Onkelzstatements der Pressekonferenz unter der Überschrift "Nazis - No Fun, Die Böhsen Onkelz". Im "Metal-Star" erschien dieser Bericht nur, weil auch in dieser Redaktion der Bedarf bestand, sich unbedingt zum schlimmen Thema der Ausländerfeindlichkeit zu äußern. Die Böhsen Onkelz, mit ihren hohen Verkaufszahlen und ihrem vermeintlich rechten Ruf, waren geradezu ideal für solche Vorhaben. Da sprachen Stephan und Gonzo während der Präsentation vor gut 50 Journalisten und bezogen klipp und klar Stelling. Darüber, dass sie nicht im Osten spielten, weil sie nicht vor einer Horde von Faschisten auftreten wollten, und davon, dass sie die Kirche ablehnten, weil die sich mit dem Geld der Kirchensteuer fette Tempel baute, während die Menschen in der dritten Welt verhungerten. Das waren alles Worte, die, wenn man sie von den Onkelz persönlich gehört hatte, nicht hätten angezweifelt werden müssen. Hier aber hatte der "Metal-Star", dessen Meinung über die Band schon vor der Konferenz feststand, nichts Besseres zu tun, als alles Gesagte mit einem abschließenden Satz unglaubwürdig erscheinen zu lassen : "Sind die Onkelz schleimige Lügner oder nur unheimlich doof ? (Anm. der Red.)". Damit gab das Magazin seinen Lesern sogleich den Denkanstoß in die gewünschte Richtung. Distanzierungsversuche der Band wurden auf diese Art bewusst zunichte gemacht.


13. Dezember 1991. "Böhse Onkelz live in Wien".
In Wien gingen die Meinungen über die Onkelz auseinander. Stefan Weber, Chef der Antifa-Band "Drahdiwaberl", hatte Bauchschmerzen, bei dem Gedanken an die Band und die Glatzenhorden, die auftauchen konnten. Lokaler Veranstalter Chris Bauer war dagegen voller Zuversicht und Optimismus : "Die Onkelz sind das, was die Toten Hosen und die Ärzte gerne wären, hart, dreckig, wild", so äußerte er sich im Vorfeld der Veranstaltung, der Presse gegenüber. "Drahdiwaberl" war in Wien für ihre Sex-Gemetzel-Auftritte bekannt und berüchtigt. Dass das, was während dieser Gigs an optischer Schlachterei geboten wurde, um einiges härter und blutiger war, als eine gesungene Darbietung des "netten Mannes", fiel den wenigsten auf. um die Nervosität aus dem Wochenende zu nehmen, war der Auftritt der Onkelz für Freitag, den 13. geplant, die anderen Bands sollten am Samstag spielen. Seit dem letzten Jahr verteilten die Onkelz vor ihren Konzerten Flyer, die den Fan wissen lassen sollten, dass sie nichts mit Faschismus und dämlichen Parolen zu tun haben wollten. Um diese Meinung auch persönlich vor den Fans zu vertreten, hatte Stephan es sich angewöhnt, vor jedem Konzert auf die Bühne zu gehen und eine Ansage zu machen. In Wien hatten sie diesen Wortlaut :
"OK, Leute, ich bin der Stephan von den Onkelz, ich hab euch kurz was zu sagen. Wir ham´ heut´ Lust hier  ´n guten Abend zu verbringen. Wir wollen hier keine Parolen hören. Wenn hier irgendwelche Skins nerven, hör´n wir auf oder ihr fliegt raus. Eins von beidem. Tut euch und tut uns den Gefallen. Wir können hier eine Menge Spass haben, wenn ihr euch diszipliniert verhaltet. Last uns  ´n geilen Abend haben. OK. Bis später !"
Die Zuschauerzahl belief sich auf 1500 - 2000 Leute und die Stimmung war bombastisch. Jede Strophe wurde mitgesungen, jeder Song gefeiert. Kevin war betrunken  und gab alles. Außer, dass er bei "Eine dieser Nächte" die erste Strophe vergaß, machte er keine Fehler. Sein Gesang war nicht grausamer als sonst. Im Gegenteil, der Whisky schien seiner Stimme gut zu tun. Je mehr er trank, desto brutaler konnte er singen und desto geiler fühlte er sich.
Rainer Funk vom Metal Hammer durfte die Onkelz für das "Live in Vienna" Video interviewen. Auch hier gab die Band explizite Statements über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, über die Abkehr von Gewalt und über das Beschreiten neuer psychedelischer Wege.


Die Böhsen Onkelz waren zu einer ernstzunehmenden, aufrührerischen musikalischen Kraft geworden, und das machte sie für die Medien interessant, für die Fans anbetungswürdig und für die öffentliche Meinung gefährlich.

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