Mittwoch, 14. September 2011

Die Geschichte Teil 43

Eine andere Frau war in Stephans Leben getreten. Er brach seine 10jährige Liebe zu Pia im August 91 ab. Die Ranch meldete Konkurs an und schloss im September ganz. Auch Gonzo und Pe kündigten ihre Jobs. Sie wollten sich jetzt voll und ganz auf die Musik konzentrieren.
Am 20. September griffen rechtsradikale Gewalttäter ein Asylbewerberheim in Hoyerswerda an. 32 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Mehrere Dutzend ähnliche Übergriffe folgten. Zeitgleich erschien im "Musikmarkt", dem Pulsmesser der deutschen Musikindustrie, ein Artikel über die Böhsen Onkelz. Dieser Bericht hatte einen durchweg positiven Tenor und kam der Wahrheit ungewohnt nahe.
. . . sie waren Skins, lange bevor die Glatze zum Symbol für rohe Gewalt wurde . . . nun haben auch Veranstalter den Bannstrahl gelöscht. Langsam öffnen sich erneut die Hallentüren für Böhse Onkelz; das Publikum kann sich wieder ein Bild dieser Formation machen . . .
Solche Worte im Musikmarkt lösten großen Protest in der Branche aus. Besonders die Berliner fühlten sich aufgerufen die Öffentlichkeit von den schlimmen "Naziüberfällen" in Neuköln zu unterrichten. Der Berliner Radio DJ und Musikkritiker Barry Graves ließ sich zu einem Leserbrief hinreißen, der auf eindrucksvolle Weise seine Unkenntnis der Thematik demonstrierte.
". . . ich selbst werde darauf hinarbeiten, dass die Sender auch generell alle Produkte der Firma Bellaphon boykottieren, bis diese sich von der Band trennt. . . Die Gruppe appelliert nun mal an die niederen Instinkte von Neonazis. Ob sie das aus Überzeugung oder aus kommerzieller Berechnung tut, ist dabei gleichgültig. Sie hat sich auch nie in eindeutiger Weise von ihrem missverständlichen Repertoire distanziert . . . bräunlich schimmerndes Image . . . ausschließlich Neonazis . . . angesichts der deutschen Geschichte unverantwortlich . . ."
Etwas, das später immer wieder auftauchte, war in diesem Leserbrief bereits deutlich herauszulesen. Die verständliche große Wut über die gewalttätigen Übergriffe und die scheinbare Ohnmacht, dagegen etwas tun zu können. Diese Ohnmacht wurde bei jeder erdenklichen Gelegenheit an den Böhsen Onkelz festgemacht. Auf diese Art und Weise konnten die Menschen in der Musikindustrie ihre lupenreine politische Gesinnung zur Schau stellen. Sie konnten sagen, und das taten sie immer wieder : "Seht her, wir tun auch etwas gegen den Rechtsradikalismus, wir verbieten Böhse Onkelz Konzerte und wir boykottieren ihre Platten, jedenfalls solange, wie sie ihren Namen beibehalten !"
Die Änderung oder die Entschärfung des Namens war für die Band indiskutabel. Würden sie ihren Namen ändern, dann würde ihnen die Presse anschließend genau das zum Vorwurf machen. Eine Namensänderung wäre ein Eingeständnis von Schuld gewesen oder auch der Versuch, die Vergangenheit in Nebel zu hüllen. Das Gegenteil war der Fall. Als die große Skinheadband, die tonangebende Formation innerhalb der Szene, die sie von 83 - 85 gewesen sind, war es mutig gewesen den Namen beizubehalten und der Szene den Rücken zuzukehren. Um als Ikone von seinem Sockel zu steigen und seinen Anhängern "Leckt mich am Arsch" zuzubrüllen, brauchten sie eine Menge Selbstbewusstsein. Nicht ein Eingeständnis von Schuld wollte man machen, sondern ein Eingeständnis von begangenen Fehlern. "Böhse Onkelz" stand von 80 - 82  für Frankfurter Hardcorepunk der reinsten Sorte, von 83 - 85 für Straßenprotest und Skinheadkult. Von 86 - 90 war nicht viel über die Band zu lesen. Erst durch den politischen Einfluss und die Kampagnen der Medien seit 1990, wurde aus dem Namen Böhse Onkelz ein Synonym für "Rechts" - oder "Faschorock". Nicht die Fans und nicht die Texte festigten das Bild der Onkelz als "rechte Band", sondern die Artikel in den Zeitungen. Was die Band selber anstrebte, war, dass der Name irgendwann für "tatsächlich mögliche positive Wandlung" stehen sollte. NOCH EINMAL : Die Böhsen Onkelz waren seit 1985/86 keine Glatzen mehr, und die rechtsradikale Szene hasste die Onkelz. Die Frankfurter Band war 1991 in diesen Kreisen seit langem als undeutsch, langhaarig und links verschrien. Die wenigen Skins, die jetzt noch zu den Konzerten kamen, waren entweder älter als 25, politisch/unpolitisch/unverbesserlich und/oder gewalltbereit, oder sie waren jung und hoffnungslos dem 87/88er Kult verfallen.
90% der Konzertbesucher und Plattenkäufer waren Headbanger, Alkoholleichen und Teenies. 

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