Sonntag, 21. August 2011

Die Geschichte Teil 37

1990
Trimmi, Pe und Kevin waren Profis im "Herbeilabern", das hatte schon damals in Hösbach angefangen. Immer mussten sie sich in ihren psychotischen Stories übertrumpfen. Immer musste jemand noch einen draufsetzen und wenn sich Trimmi mit seiner lispelnden Stimme erst einmal ereiferte, war alles zu spät, dann lachten sie Tränen.
Genauso laberten sie den Tod herbei. Das viele "Rauschen" in der 28, der Horror und die Pornos, all das Koks und die H-Schnupferei, das konnte nicht ungestraft bleiben. Anfangs war der Tod ein flüchtiger Besucher, der sich selten sehen ließ. Er nahm hier und dort eine Person aus dem Spiel und lauerte ansonsten geduldig auf eine Möglichkeit zum Zugriff. Als sie die Lieder für ihr neues Album komponierten, hatten sie heftig an seiner Sphäre gesogen und ab 1990 strich er durch die Weberstraße wie ein Triebtäter, der darauf wartete, dass Kevin nach Hause kam. Dann schlüpfte er mit ihm in die 28 und setzte sich ungesehen auf eine der Sofalehnen.
Die Lieder waren zu keiner Zeit schwermütiger als 1990. Das neue Album "Es ist soweit" sollte mit Abstand das Düsterste werden, was die Böhsen Onkelz jemals geschrieben hatten. Genau, wie sie es in einigen Interviews bereits angekündigt hatten. Bestimmt gab es in der klassischen Literatur einige Spezialisten, die ausführlich und bildhaft über den Sex mit Toten geschrieben hatten, eine zweite deutsche Rockband, die wie die Onkelz darüber singen konnte, gab es nicht. Nichts war näher an der Wahrheit als diese Songs. Kevin sang über seine eigene Heroinsucht, über den Wahnsinn, den die Onkelz erlebten und über seinen ganz persönlichen Wunsch nach Schmerz, über seine eigenen teuflischen Leiden-schaften. Jeder, der dieses Album hörte, sollte so leiden, wie er litt. Er war zwar nicht nekrophil und er tötete gewiss keine Kinder, aber er war in der Lage, die schizophrenen Menschen, die das taten, erschreckend echt darzustellen. Kevins Wut war zu keiner Zeit gespielt.

Der Streit mit Nowotny war soweit fortgeschritten, dass sie ihn jetzt unbedingt loswerden wollten. Jedesmal, wenn er Gonzo oder Pe alleine erwischte, riet er ihnen, dass sie sich um ihre eigene Karriere kümmern sollten, dass sie Stephan rausschmeißen sollten, weil er ein Querulant sei und weil man nicht mit ihm zusammenarbeiten könne. Am Ende waren Gonzo und Pe an einem Punkt angekommen, an dem sie es fast glauben wollten. Stephan war schließlich derjenige gewesen, der die Jungs zusammentrommelte und eine Aussprache vorschlug. Immerhin waren sie seit fast 10 Jahren eine Band, und niemals vorher hatte es solch massive Krisen gegeben wie zu dieser Zeit. Es gab Tage, da schlugen sie sich fast gegenseitig den Schädel ein. Sobald sie aber alle vier beieinander saßen, Bier tranken und ernsthaft über ihr Problem nachdachten, da wurde ihnen ganz schnell klar, wer hier der Querulant war und wer hier versuchte, einen Keil zwischen die Bandmitglieder zu treiben. Sie seien eine gute Band, sagte Stephan, schon bevor sie Nowotny getroffen hatten und sie würden es auch nach dieser Zeit sein. Nowotny sollte ihnen auf gar keinen Fall diktieren dürfen, wie sie ihre Laufbahn als Rockband zu planen hatten. Wenn es nach ihm gegangen wäre, so schien es, dann hätten sie jetzt noch Glatzen. Dieses Album noch, dann würden sie etwas anderes finden.


Neben den tiefschwarzen Songs gab es auch einige Stücke auf der "Es ist soweit", die sich bestens zum Mitsingen eigneten. Ein Song richtete sich gegen die Presse und ihre Unwahrheiten und darüber, dass es die Band trotz der Ignoranz der Medien bis hierher geschafft hatte. Gleichzeitig war es ein Jubiläumslied über ihr 10jähriges Bestehen als Böhse Onkelz, bei dem Trimmi lautstark den Refrain unterstützte.

Zu jeder Onkelz LP gehörte dieser Pathos, diese Selbstbeweihräucherung. Die Band war definitiv ihr größter Fan, und Stephan trieb es immer wieder dazu, Songs zu schreiben, die allen beweisen sollten, wie genial "seine" Band sei. Was er woanders nicht bekam, holte er sich hier. Er "laberte" den Ruhm der Böhsen Onkelz einfach herbei. Er betonte immer wieder, dass sie die beste Rockband des Universums seien. solange bis es tatsächlich jeder glaubte. Wie gerne spielte er jedem seiner Freunde seine Musik vor, solange bis sichergestellt war, dass auch jeder darauf abfuhr, solange, bis jeder begriffen hatte, worum es ihm wirklich ging. Die Leute um ihn herum waren verblüfft von der Einfachheit und der Wirksamkeit seiner Technik. 

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