Montag, 8. August 2011

Die Geschichte Teil 30


Stephan wurde getrieben von einem dringenden Erlösungswunsch, der unmittelbar mit der Zerstörung des Äußeren zu tun hatte. Ohne Konflikt, keine Kreativität. Was immer er erfuhr, versuchte er zu verarbeiten und in einem Lied auszudrücken. Gab es keinen Widerstand, an dem er sich reiben konnte, so gab es auch keine Verarbeitung des Erlebten. Also war er immer auf der Suche nach Veränderung. Das bedeutete nicht, dass er nur auf der Suche nach Streit war. Im Gegenteil. Stephan merkte während dieser Phase ganz genau, dass ihn die kontroverse Haltung irgendwann töten würde und dass er dringend auf die Leute zugehen und lernen musste. Einer der letzten schlimmen Zwischenfälle hatte sich auf der Frankfurter Fußgängerzone ereignet, als Moni von drei Dealern angequatscht wurde und Stephan sofort wie ein Rottweiler dazwischen gegangen war. Er war daraufhin mit einem Messerstich in den Bauch zusammengebrochen und erst im Krankenhaus wieder aufgewacht. Im Krankenhaus fiel ihm auch wieder ein, dass er von irgendetwas im Gesicht getroffen wurde, bevor er das Bewusstsein verlor. Sein Jochbein und sein Nasenbein waren mehrfach gebrochen. Täglich steckten ihm die Ärzte kleine Plastikschläuche in die geschwollene Nase, um das viele Blut hinter seinen Augäpfeln abzusaugen. Am Ende mussten sie sein ganzes Gesicht operieren, damit er wieder so wie vorher aussah.
Irgendwann mussten diese Dinge aufhören, das wusste niemand besser als er.

Pe und Stephan hingen 87/88 viel zusammen ab. Aus Langeweile und auf der Suche nach neuen Tattoomotiven stolperten sie irgendwann in die "Cadillac-Ranch", einen Skateboardshop. Stephan interessierte sich schon seit längerem für den amerikanischen Kulturimport. Zuerst war er nur auf die Musik abgefahren, aber endlich begann er auch damit, sich für komplett andere Szenen, Leute und Ansichten zu öffnen. Mindestens 3 mal pro Monat lief Stephan in die Ranch und kaufte sich ein T-Shirt oder ein paar Sticker und jedesmal blieb er 1-2 Stunden in dem Laden und unterhielt sich mit dem Typen hinter dem Tresen. Man sah Stephan die Veränderung an. Seine Haare waren inzwischen so lang geworden, dass er sie in einem Pferdeschwanz zusammen binden konnte. Durch ihre eigenen Impulse, durch ihre Kneipen- und Ladenbesuche, durch die Ranch und die angeschlossene Szene erreichten sie viele neue Leute, mit denen sie noch vor ein paar Jahren kein einziges Wort gewechselt hätten. 1988 zog die Ranch in die Klingerstr. um, wo plötzlich alte Freunde wieder auftauchten, von denen Pe und Stephan seit Jahren nichts mehr gehört hatten. Hier wurden alte Freundschaften wiederbelebt, neue wertvolle Freundschaften geknüpft und es entwickelten sich wichtige Kontakte, die noch Jahre später Bestand haben sollten. Über die Ranch bekam Pe im Herbst 88 einen Job im Großhandelslager von "Boy". Pe´s langjährige Freundin war bei einem Reitunfall um´s Leben gekommen, und Pe musste dringend, um über den Verlust hinwegzukommen, andere Menschen kennenlernen.

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