Die Zusammenfassung des Lebens und der Musiklaufbahn der Böhsen Onkelz soll euch helfen zu verstehen,warum wir,die Fans,sie so vergöttern und Andere sie so hassen und verdammen.Jeder kennt die Onkelz oder hat schon mal von ihnen gehört.Das Feindbild der Nation, die Götter für die Fans.Von der Band geht eine Faszination aus,die nicht in Worte zu fassen ist.Und nur die Fans werden diese Tatsache verstehen können.
Meine Zusammenfassung stammt aus dem Buch "danke für nichts" von Edmund Hartsch
23. Januar 1991. Landgericht Frankfurt. Die Verhandlung war ein Skandal. Kruse blieb bei seiner Notwehrgeschichte und niemand konnte ihm das Gegenteil beweisen. Trimmi wurde als aggressiv und gefährlich dargestellt, und als jemand, gegen den man sich nur mit dem Messer zur Wehr setzen konnte. "Körperverletzung mit Todesfolge", so hieß es auf einmal. Dazu kamen ein paar weitere Ungereimtheiten. Warum war die Staatsanwältin von einer anderen Strafkammer ? Warum hatte sie bis jetzt nur Wirtschaftsdelikte bearbeitet und wie kam es, dass dies ihr erster Fall von Todschlag war ? Und warum ging sie danach wieder zu ihren Wirtschaftsdelikten zurück ? Warum ging Frau Trimborns Anwalt nach dem Freispruch nicht in Revision ? Vielmehr warum zog er die Revision zurück und benachrichtigte Frau Trimborn nicht davon. Was zur Folge hatte, dass wichtige Einspruchsfristen nicht eingehalten werden konnten. Kruses Eltern betrieben ein privates Altenheim im Taunus und lebten in einer geräumigen 2,5 Millionen Immobilie. Konnte es eine Rolle gespielt haben, dass Scheuer (Anwalt von Kruse) ein bekannter Anwalt war und Kruses Familie über ungeheure finanzielle Mittel verfügte ?
Als Kruse schließlich mit den Worten "im Zweifel für den Angeklagten" freigesprochen wurde, brachen im Gerichtssaal Tumulte aus. Alle schrien durcheinander, Trimmis Vater brach zusammen und den grinsenden Kruse musste man durch einen Geheimgang in Sicherheit bringen. Sieben Monate hatte er in U-Haft gesessen, und für diese sieben Monate bekam er nun eine Entschädigung von 7000 Mark. Der Tumult im Gerichtssaal ging von allen Anwesenden aus, die sich über das Urteil lautstark empörten. Allen voran Trimmis ehemalige Kollegen und sein Chef. Interessant war die Tatsache, dass die Medien gerne solche Zwischenfälle an einem Namen festmachten. Außer Stephan war niemand von der Band bei der Abschlußverhandlung dabei gewesen. Natürlich hatte er sich aufgeregt, als das Urteil verkündet wurde. Für ihn und den Rest der Band war der Fall klar. Lieder mussten her und zwar dringend.
Eins für Trimmi
und eins für Kruse.
Einen Marathon von Schmerzen wollten sie ihm schicken, und das taten sie in Form eines Liedes. Nie wieder sollte Kruse ruhig schlafen können. Dieses Lied sollte ihn immer an das erinnern, was er getan hatte, sollte ihm nie endende Qualen bereiten. Mit Kruse waren sie noch lange nicht fertig.
Die Böhsen Onkelz waren entschlossener denn je, ihren Weg als Rockband fortzusetzen und alle Hürden zu nehmen, die man vor ihnen aufbauen würde. Dazu gehörte auch, dass sie über einen Indizierungsantrag des Kreisjugendamtes Saarlouis, der vorschlug, die "Es ist soweit" wegen Jugendgefährdung verbieten zu lassen, einfach nur lachten. Vor diesem Hintergrund, aus Schmerz, Trauer und Wut, in dieser Zeit, als Kevin anfing das H zu drücken, als der beste Freund tot und der Täter freigesprochen war, schrieb Stephan die Texte zum neuen Album. "Wir ham noch lange nicht genug" war die kompakte Antwort auf das erlittene Unrecht.
"Vom Himmel in die Hölle und von der Hölle ganz hinauf - Ein tiefer Fall nach unten und die Treppe wieder rauf." Solange, bis auch der Dämlichste begriffen hatte, dass die Böhsen Onkelz niemals aufgaben, bevor sie nicht alles gesagt hatten, was es zu sagen gab.
"Wir ham noch lange nicht genug . . ." war so nah an der Wahrheit der Onkelz, wie keines der vorherigen Alben. Jedes Lied hatte einen ganz persönlichen Hintergrund. So persönlich, dass die Band für jeden, der sie genau kannte, förmlich nackt da stand. Auch dieses Album wurde dem toten Trimmi gewidmet.
In "Zeig mir den Weg" versuchte Stephan seine Meinung über die Presse noch einmal genau zu umreißen. Dazu kam der typische "Wir sind die Geilsten"-Pathos, verpackt in eine Melodie, die so eingängig und treibend war, dass Bellaphon sich nicht weiter um die Werbung kümmern musste. Alles, was nach der "Es ist soweit" kam, waren Selbstläufer, die sofort nach der Veröffentlichung begeistert gekauft wurden.
". . . Licht und Schatten steh´n gemeinsam vor der Tür . . ." mit diesen Worten hatte Stephan unbewusst seine Psyche konkret charakterisiert. Stephan war Zwilling, wie er zweifacher nicht sein konnte. Seine Texte waren, je nach Betrachtungsweise und Ausgangspunkt, extrem verlogen oder extrem ehrlich, und genau das machte die Bewertung der Lieder durch die Öffentlichkeit so schwierig. Mit diesem Spielraum konnten die meisten Onkelzkritiker nichts anfangen. Sie projizierten ihre unbestätigten Vermutungen in diese Lieder hinein, bevor sie sie gehört hatten.
Die Böhsen Onkelz waren jetzt eine gefestigte Einheit. Unzertrennlich zusammengeschweißt durch gemeinsame Erlebnisse. Stephan war der Kopf und das Gehirn, der Antrieb und die Idee. Gonzo war Gliedmaßen und Virtuosität. Er stand unter einem Aufopferungszwang, der von ihm verlangte, sein ganzes Können zur Verfügung zu stellen, damit der Kopf sich ausdrücken konnte. Kevin war der Bauch, das Gedärm und die Eier. Er holte das Tier und die tief verborgenen Ängste herauf. Seine brutale Stimme und sein autoritäres Auftreten gaben dem Kopf Wirkung und Gestalt. Pe war das Herzstück und der Rhythmus, Auge des Orkans, Takt und Balance. Besonnen, verlässlich und souverän. So und nicht anders, setzte sich die Chemie der Onkelz zusammen.
Die Reaktionen der Fans und der Medien auf das neue Album waren gespalten. Begeisterung auf der einen Seite, Empörung und Verachtung auf der anderen. Nach wie vor gab es die Onkelzplatten nur in wenigen Läden zu kaufen. Der unausgesprochene Boykott der Musikindustrie gegenüber der Band sollte sich von nun an noch verschärfen.
89 - 91 war eine Zeit, in der die Onkelz häufiger Ansagen von der Bühne herab machen mussten. Immer wieder tauchten Glatzen auf, von denen einige meinten, durch das Vortragen von rechten Parolen, auf sich aufmerksam machen zu müssen. Die Skinheadszene West/Ost war inzwischen zu großen Teilen nach Rechts abgewandert. Der Hass auf Ausländer wuchs.Das viele der gewalttätigen Übergriffe gegen Ausländer von Jugendlichen angezettelt wurden, die in ihrer Freizeit unter anderem auch Onkelzmusik hörten, dürfte bei einer deutschen Hard-Rock-Formation, die 60-100 000 Einheiten verkaufte, nicht überraschen. Gaben sich diese Leute jedoch auf Konzerten zu erkennen, dann war die Band in jedem Falle dazu aufgerufen, klipp und klar Stellung zu beziehen. Ein wichtiger Punkt im Zuge der Beurteilung an der Mitschuld der Onkelz an ausländerfeindlichen Übergriffen war daher die gewissenhafte Überprüfung ihres Verhaltens auf der Bühne, ihrer Auftritte, deren Anzahl und deren Besucher. Nur 3 Gigs hatten sie als Skinheadband von 83 - 85 gegeben. Einen davon vor einer größeren Crowd von 600-700 Leuten in der Nähe von Lübeck im August 85. Von Anfang 86 bis Anfang 89 hatte es keine Konzerte der Band gegeben. Von 89 bis zum Januar 91 waren es Sieben Gigs in vier Städten. Auf dreien dieser Konzerte, die im Schnitt vor 500 Zuschauern stattfanden, tauchten Skinheads auf, deren Anzahl sich auf je 30-40 Personen belief, und die sich durch das Rufen von ausländerfeindlichen Parolen und durch Hitlergrüße unbeliebt machten. Jedesmal hatte großen Protest der übrigen Fans gegeben. Alle drei Konzerte verliefen nach einer entsprechenden Ansage der Band
friedlich und ohne Gewalt. Ausschreitungen gab es keine, wohl aber kleinere Handgemenge zwischen Autonomen und Onkelzfans. Die Polizei, die während jeder Show in großer Zahl anwesend war, hatte bisher niemals einschreiten müssen. Niemals wieder, seit Lübeck 85 wurden Böhse Onkelz Konzerte von Scheitelträgern oder Parteiangehörigen aus dem rechten Lager aufgesucht. Bereits seit den ersten Konzerten 89 war die Security von der Band angewiesen worden, solche Leute schon am Eingang abzuweisen.
Anfragen von rechten Parteien nach einem Auftritt der Band während einer Parteiversammlung oder einer Kundgebung, waren jedesmal unter lautem Gelächter abgesagt worden.
Am 11. und 12.1.91 gab es im in Offenbach zwei Onkelzkonzerte. Beide Abende verliefen friedlich und ohne Zwischenfälle. Um den Veranstaltungsort herum, kam es jedoch immer wieder zu Pöbeleien von Skinheads gegenüber Anwohnern.Die Frankfurter Rundschau schrieb am nächsten Tag :
"Böhse Onkelz sorgten für böses Blut"
. . . diese Gruppe findet ihre Fans vornehmlich unter Hooligans und Skinheads. Sie gilt aufgrund der nazi- gewaltverherrlichenden Texte auf ihren ersten Platten als faschistisch . . .
Weder gab es "nazigewaltverherrlichende Texte" auf den ersten Platten, noch waren die Fans überwiegend Hooligans oder Skinheads. Es war eine kleine Gruppe und nicht der Großteil der Fans, die 89 - 91 die Konzerte störte.
"Es ist soweit" war im Kasten. Sie schleuderten Nowotny die Masterbänder vor die Füße und ließen ihn stehen. Der Mord an Trimmi zögerte das Veröffentlichungsdatum der neuen LP um einige Tage hinaus, weil sie die Platte unbedingt ihrem toten Freund widmen wollten und die Druckvorlagen dementsprechend geändert werden mussten. Trimmi wurde vier Tage später auf dem Hauptfriedhof beigesetzt. Die kleine Kapelle konnte die Menschenmengen nicht fassen. Viele mussten draußen warten. Während das Lied "Erinnerungen" von den Böhsen Onkelz durch die Kapelle dröhnte, gab es wohl niemanden, der nicht weinte.
Das Leben ging weiter, gnadenlos, ohne Pause. Seit Juni 1990 und mit Abgabe der Masterbänder für die "Es ist soweit", waren die Onkelz ohne Vertragspartner. Die Platte verkaufte sich in nur zwei Wochen 30 000 mal und kletterte im August 90 bis auf die Position 37 in den Albumcharts der "Nordparade".
Mehrere Ereignisse, von denen Trimmis Tod nur eines unter vielen war, beeinflussten die Laufbahn der Böhsen Onkelz massiv. Gonzo arbeitete noch immer als Maschineneinrichter. Er war oft auf Nachtschicht, und falls es mit den Böhsen Onkelz jetzt noch professioneller werden sollte, dann müsste er sich überlegen, ob er seinen Job nicht besser kündigte. Bisher verdiente keiner der vier Bandmitglieder soviel Geld mit der Musik, dass er es sich hätte leisten können, nicht zu arbeiten. Kevin hatte sich mehrfach mit Alf Diamond zerstritten. Alf galt als Abzocker, als einer der davon lebte, Menschen über den Tisch zu ziehen, wo er nur konnte. Lange würde Kevin sein Können nicht mehr an Alf verscherbeln, der sich mit dessen Kunst allmählich eine goldene Nase verdiente. Auch Pe hatte die Schnauze voll von seinem Job. Sein Chef war ein schwerer Choleriker, geldgierig und kalt. Pe würde lieber heute als morgen kündigen. Was Stephan anging, war auch er an einen Punkt gekommen, an dem er sich neu orientieren musste. Er war jetzt der alleinige Chef und Manager der Cadillac Ranch. Der Skate- und Snowboardboom hielt zwar noch an, aber in Frankfurt und Umgebung gab es zu viele Läden. Bis zum Herbst 90 rutschten die Konten der Ranch weit in den roten Bereich. Wenn sie von ihrer Musik leben und wenn sie ihre Jobs an den Nagel hängen wollten, dann war jetzt die Zeit gekommen. Jetzt mussten Entscheidungen getroffen werden, die die öffentliche Zukunft der Band und die private Zukunft der vier Musiker, absichern konnte.
Manchmal passieren die richtigen Dinge zur richtigen Zeit. Nachdem der Nowotnyvertrag erfüllt und ausgelaufen war, meldete sich prompt der nächste Interessent bei den Onkelz. Die alteingesessene Frankfurter Plattenfirma Bellaphon Records, war auch die Firma, über die der Vertrieb von Metal Enterprises lief. Das bedeutete, dass man im Hause Bellaphon stets einen genauen Überblick über die Verkäufe der Onkelz gehabt haben muss. Selbstverständlich war eine Band, die in zwei Wochen ohne Werbung und fast ohne Livekonzerte, ohne Medienpräsenz und ohne Radioairplay 30 000 Einheiten verkaufte, nicht lange allein. Der Chef der Bellaphon rief im Herbst bei Stephan an und bat ihn zu einem zwanglosen Gespräch in sein Büro. Das war nun eine ganz andere Verhandlungsbasis, als die Onkelz sie bisher kennengelernt hatten. Auch wenn sie viele schlechte Volksmusikanten unter Vertrag hatten, waren die Böhsen Onkelz hier gut aufgehoben, dachte Stephan. Kein alberner Ein-Mann-Betrieb, sondern eine Firma mit Rechtsabteilung und mit einem richtigen Chef, der ganz beiläufig so lässige Wörter wie "Vorschuss", "monatliche Auszahlung" und "Künstlerbetreuung" fallen lies. Bellaphon bot den Onkelz einen Künstlerexklusivvertrag über drei Studioalben, plus einer Option an. Bei einer prozentualen Beteiligung, die weit höher lag, als was sie bisher bekommen hatten. Sollten sich die Böhsen Onkelz zu diesem Schritt entscheiden, dann hieße das, dass sie ihre Jobs aufgeben und sich nur noch ihrer Musik widmen würden. Lange mussten sie nicht diskutieren, jeder in der Band war dazu bereit. Im Oktober 90 feierten die Onkelz mit der Bellaphonbelegschaft ihren Einstand in der neuen Firma. Der Vertrag startete am 01.01.1991. Dass Nowotny bereits seit längerer Zeit illegale Tonträger der Band herzustellen und sie über Bellaphon zu vertreiben schien, wusste außerhalb der Firma wohl niemand.
Trotz aller Probleme lief es eigentlich ganz gut. Am 15. Juni 1990 lief es ganz besonders gut. Jedenfalls für die Deutsche Nationalmannschaft bei der WM in Italien. Es war Pe´s 26ster Geburtstag. Stephan und Pia luden ihn zu sich nach Kelkheim ein. Dort wollten sie für ihn kochen und das Spiel der Deutschen gegen die Arabischen Emirate anschauen. Später wollten sie nach Frankfurt fahren, um sich mit Kevin und Trimmi in Sachsenhausen zu treffen. Doch gegen 11:00 rief Stephan in der 28 an und sagte ab. Pe fuhr kurz darauf nach Hause und legte sich schlafen. Die 28 war während des überlegenen Spiels der Deutschen Mannschaft gut ins Brüllen geraten. Nach Stephans Anruf hielt es sie nicht länger in der Wohnung. Auge, Trimmi und Kevin bestellten einen der verängstigten Taxifahrer vor die Haustür und ließen sich geradewegs nach Sachsenhausen ins "Speak Easy" chauffieren. Schon nach kurzer Zeit stand Trimmi im offenen Hemd da, und war bereit den ganzen Laden einzuladen. Das tat er oft, wenn er etwas Geld in der Tasche hatte und guter Laune war. An diesem Abend war er besonders guter Laune. Zwischen all dem Gejohle, Gesaufe und Geschiebe musste Trimmi irgendwann die Toilette aufsuchen. Auf dem Klo traf er Auge. Nebeneinander standen sie vor der Rinne und lachten über Witze, die sie sich kurz zuvor an der Theke erzählt hatten. Aus einer der Toilettenkabinen kamen Geräusche, die sich verdächtig danach anhörten, als wenn sich dort zwei Typen gerade eine Nase Koka reinziehen würden. Auge war als erster mit dem Pinkeln fertig und verließ auch als erster das Klo. Nicht ohne sich auf halbem Wege zur Bar noch einmal umzudrehen. Durch die offene Toilettentür musste er eine Szene beobachten, die so kurz und so irreal war, dass die ganze Welt um ihn herum zu gefrieren schien. Die zwei Typen, die aus dem Klo gekommen waren, hatten Trimmi in ihrer Mitte stehen. Trimmi, mit einem Bierglas in der Hand,sah aus, als wenn er dringend Hilfe benötigte. Die Situation schrie nach einem Eingriff, aber Auge konnte sich nicht bewegen. Einer der zwei Männer hatte ein Messer in der Hand und stach es Trimmi in die Brust. Einfach so. Trimmi stürzte daraufhin panisch aus der Toilette, durch den Flur und genau in Auges Arme. Er stammelte etwas davon, dass er gestochen worden war, und er schrie Auge an, dass der etwas unternehmen sollte. Dann riß er sich los und flog auf Kevin zu, der ungläubig auf Trimmis blutende Brust starrte. Auge hatte endlich seine Fassung wiedergefunden und brach krachend durch die Klotür. Der Täter stach sofort mit seine Messer auf Auge ein. Auge hatte ein paar Schwinger landen können, blutete aber stark aus mehreren Wunden. Keine 5 Sekunden später lag Auge am Boden und fürchtete um sein Leben.
Kevin hockte draußen auf der Straße und hielt den schwer blutenden Trimmi in seinen Armen. Trimmi war kreidebleich und keuchte. Die nackte Panik sprach aus seinen Augen. Mit einer Hand hielt er sich an Kevins Kragen fest, die andere hielt er auf die Wunde gepresst. Sprechen konnten sie beide nicht.
Auge wehrte sich mit Händen und Füßen, während der Typ mit dem Messer immer noch auf ihn einhackte. Stefan Winter, das Tier, das damals Kevin im Klapperkahn beinahe totgeschlagen hatte, war mit einem Garderobenständer in die Herrentoilette eingefallen und schlug nun den Messerstecher damit nieder. Gott im Himmel, wie haben Winter und Auge diese zwei Typen zusammengetreten. Dem einen haben sie ein Ohr abgeschlagen, dass später wieder angenäht werden musste. In all dem Blut und dem Gekreische sind Auge und Winter dann nach draußen gelaufen. Sie mussten unbedingt heraus finden, was mit Trimmi passiert war. Auf der Straße hatte sich eine große Menschenmasse versammelt. Ein Notarztwagen stand dort i der schmalen Gasse, und von überall waren Polizeisirenen zu hören, die sich dem Tatort näherten. Das Messer lag noch auf dem Boden, die Täter aber waren geflüchtet. Im Notarztwagen sah Auge seinen Freund Trimmi liegen, dessen Körper sich unter den Stromstößen noch einmal aufbäumte und dann liegen blieb. Trimmi, zu diesem Zeitpunkt 23 Jahre alt, war schon nach 3 Minuten, noch bevor der Krankenwagen in die Gasse eingebogen war, in Kevins Armen verblutet. Der Tod verließ die Szene gegen 00:40.
Kevin stand blutverschmiert hinter dem offenen Notarztwagen und sah blicklos auf die Instrumente. Dort lag Trimmi unter einem weißen Tuch und bewegte sich nicht mehr. Kevin wusste nichts über den Tod, nichts über diese Art von Tod. Seine Welt, weit weg wie sie ohnehin schon war, verschwand nun vollends hinter einer dicken Milchglasscheibe.
Um 3:30 klingelte das Telefon bei Stephan : "Komm sofort in die 28. Es ist etwas passiert. Beeil dich !" Als Stephan in der 28 eintraf, bot sich ihm ein Bild der Verzweiflung. Ein paar zerstörte Rocker fand er vor und einen schluchzenden Russell, der schäumend vor Wut und Schmerz seinen Kopf gegen die Wand schlug. Stephan wollte es nicht glauben. Er wurde nervöser und nervöser und kämpfte mit den Tränen.Niemals wieder erlebte die 28 eine dunklere Nacht. Zu Hause schloss Stephan sich in sein Schlafzimmer ein und weinte 48 Stunden lang. Stephans Gefühle waren fast immer echt, klar und sauber. Er konnte krass und brutal sein, das schon, und er ließ die Leute immer wissen, was er von ihnen hielt, besonders gerne, wenn er sie nicht mochte. Aber das galt genau so für die Menschen, die er liebte. Er war in seinen Emotionen extrem geradlinig. Niemals hegte er für jemanden ungenaue Sympathien. Wenn er jemanden kennenlernte, dann war es schwer für diese Person, sein Vertrauen zu gewinnen. Gelang es ihr jedoch und Stephan akzeptierte einen Menschen, dann konnte dieser sich gewiss sein, dass Stephan ihn niemals belügen würde, dass er immer zu ihm Stehen würde. Ein Arschloch war ein Arschloch und ein Freund war ein Freund. Trimmi war der beste Freund der Böhsen Onkelz. Nicht einer der Besten, sondern der Beste.
Roland Kruse hieß der Mensch, der für Trimmis Tod verantwortlich war. Er hatte sich nach der Tat gestellt und saß bereits in U-Haft. Er war der zweite Sohn einer reichen Familie aus Bad Vilbel und war mehrfach wegen Körperverletzung und Raubüberfall vorbestraft. Laut eigenen Angaben trug Kruse (21) immer ein Messer zur Selbstverteidigung bei sich. Er sei von Trimmi mit einem Bierglas bedroht worden. Er habe in Notwehr gehandelt, gab er zu Protokoll. Mit dieser Aussage wollte sich die Band nicht zufrieden geben. Alle dachten an Rache. Aber für´s erste sollte Kruse seine Tage in unerträglicher Angst verbringen. Er sollte wissen, wessen Zorn er geweckt hatte, und diese Erkenntnis sollte ihn langsam aber sicher um den Verstand bringen.
Trimmi, Pe und Kevin waren Profis im "Herbeilabern", das hatte schon damals in Hösbach angefangen. Immer mussten sie sich in ihren psychotischen Stories übertrumpfen. Immer musste jemand noch einen draufsetzen und wenn sich Trimmi mit seiner lispelnden Stimme erst einmal ereiferte, war alles zu spät, dann lachten sie Tränen.
Genauso laberten sie den Tod herbei. Das viele "Rauschen" in der 28, der Horror und die Pornos, all das Koks und die H-Schnupferei, das konnte nicht ungestraft bleiben. Anfangs war der Tod ein flüchtiger Besucher, der sich selten sehen ließ. Er nahm hier und dort eine Person aus dem Spiel und lauerte ansonsten geduldig auf eine Möglichkeit zum Zugriff. Als sie die Lieder für ihr neues Album komponierten, hatten sie heftig an seiner Sphäre gesogen und ab 1990 strich er durch die Weberstraße wie ein Triebtäter, der darauf wartete, dass Kevin nach Hause kam. Dann schlüpfte er mit ihm in die 28 und setzte sich ungesehen auf eine der Sofalehnen.
Die Lieder waren zu keiner Zeit schwermütiger als 1990. Das neue Album "Es ist soweit" sollte mit Abstand das Düsterste werden, was die Böhsen Onkelz jemals geschrieben hatten. Genau, wie sie es in einigen Interviews bereits angekündigt hatten. Bestimmt gab es in der klassischen Literatur einige Spezialisten, die ausführlich und bildhaft über den Sex mit Toten geschrieben hatten, eine zweite deutsche Rockband, die wie die Onkelz darüber singen konnte, gab es nicht. Nichts war näher an der Wahrheit als diese Songs. Kevin sang über seine eigene Heroinsucht, über den Wahnsinn, den die Onkelz erlebten und über seinen ganz persönlichen Wunsch nach Schmerz, über seine eigenen teuflischen Leiden-schaften. Jeder, der dieses Album hörte, sollte so leiden, wie er litt. Er war zwar nicht nekrophil und er tötete gewiss keine Kinder, aber er war in der Lage, die schizophrenen Menschen, die das taten, erschreckend echt darzustellen. Kevins Wut war zu keiner Zeit gespielt.
Der Streit mit Nowotny war soweit fortgeschritten, dass sie ihn jetzt unbedingt loswerden wollten. Jedesmal, wenn er Gonzo oder Pe alleine erwischte, riet er ihnen, dass sie sich um ihre eigene Karriere kümmern sollten, dass sie Stephan rausschmeißen sollten, weil er ein Querulant sei und weil man nicht mit ihm zusammenarbeiten könne. Am Ende waren Gonzo und Pe an einem Punkt angekommen, an dem sie es fast glauben wollten. Stephan war schließlich derjenige gewesen, der die Jungs zusammentrommelte und eine Aussprache vorschlug. Immerhin waren sie seit fast 10 Jahren eine Band, und niemals vorher hatte es solch massive Krisen gegeben wie zu dieser Zeit. Es gab Tage, da schlugen sie sich fast gegenseitig den Schädel ein. Sobald sie aber alle vier beieinander saßen, Bier tranken und ernsthaft über ihr Problem nachdachten, da wurde ihnen ganz schnell klar, wer hier der Querulant war und wer hier versuchte, einen Keil zwischen die Bandmitglieder zu treiben. Sie seien eine gute Band, sagte Stephan, schon bevor sie Nowotny getroffen hatten und sie würden es auch nach dieser Zeit sein. Nowotny sollte ihnen auf gar keinen Fall diktieren dürfen, wie sie ihre Laufbahn als Rockband zu planen hatten. Wenn es nach ihm gegangen wäre, so schien es, dann hätten sie jetzt noch Glatzen. Dieses Album noch, dann würden sie etwas anderes finden.
Neben den tiefschwarzen Songs gab es auch einige Stücke auf der "Es ist soweit", die sich bestens zum Mitsingen eigneten. Ein Song richtete sich gegen die Presse und ihre Unwahrheiten und darüber, dass es die Band trotz der Ignoranz der Medien bis hierher geschafft hatte. Gleichzeitig war es ein Jubiläumslied über ihr 10jähriges Bestehen als Böhse Onkelz, bei dem Trimmi lautstark den Refrain unterstützte.
Zu jeder Onkelz LP gehörte dieser Pathos, diese Selbstbeweihräucherung. Die Band war definitiv ihr größter Fan, und Stephan trieb es immer wieder dazu, Songs zu schreiben, die allen beweisen sollten, wie genial "seine" Band sei. Was er woanders nicht bekam, holte er sich hier. Er "laberte" den Ruhm der Böhsen Onkelz einfach herbei. Er betonte immer wieder, dass sie die beste Rockband des Universums seien. solange bis es tatsächlich jeder glaubte. Wie gerne spielte er jedem seiner Freunde seine Musik vor, solange bis sichergestellt war, dass auch jeder darauf abfuhr, solange, bis jeder begriffen hatte, worum es ihm wirklich ging. Die Leute um ihn herum waren verblüfft von der Einfachheit und der Wirksamkeit seiner Technik.