Sonntag, 17. Juli 2011

Die Geschichte Teil 18 - Böse Menschen-böse Lieder

1985
Neun Monate nach dem "netten Mann", im Februar 85, waren die Onkelz wieder im MTV-Studio gebucht. Egoldt hatte angerufen und die Produktion der zweiten LP angeleiert. Obwohl die B.O. noch kein Geld für die erste Platte bekommen hatten, waren sie begeistert. Eine eigene Platte in den Händen zu halten, war das Größte, eine zweite Platte zu machen das Allergrößte. Bis auf Kevin hatten sie sich die Haare ein Stück wachsen lassen und die Hosenträger abgelegt. Fred Perry Hemden waren out und ihre Docs trugen sie nur noch ab und zu. Die starren Regeln innerhalb der Skinheadszene, in Verbindung mit dem dümmlichen Faschogeschwätz einiger Hamburger und Berliner, kotzten sie an. Vorschriften, ob es nun um Klamotten  oder politische Ansichten ging, waren für Stephan, Gonzo und Pe inzwischen unannehmbar geworden. Kevin konnte seine Skinheadidentität nicht einfach abschütteln. Der Kult war für ihn die einzige Möglichkeit, mit der Außenwelt in Kontakt zu treten. Der Ex-Matrose lebte auf einer Insel, in einem Gefühlsreservat. Seinem düsteren Elterntrauma, den Abweisungserlebnissen während seiner Kindheit und der daraus resultierenden Blockierung stand der Zwang zum Ausgleich gegenüber. Das drückte sich in seiner Tattoobesessenheit und seiner Neigung zu Gewalt gegenüber Anderen aus. Kevin neigte zu schlimmen Ausschweifungen, das wurde immer deutlicher. Wenn er sich prügelte, dann blutig und extatisch und ohne Erbarmen. Wenn er soff oder schnüffelte, dann so, als wollte er sich umbringen.
"Böse Menschen - böse Lieder", die zweite Produktion der Onkelz sollte beim "netten Mann" anknüpfen. Die Themen waren mehr oder weniger diegleichen. Allerdings waren der anfängliche Patriotismus und die Euphorie für das Vaterland schnell verpufft. Stephan war inzwischen der Meinung, dass es sich nicht lohnte auf ein Land stolz zu sein, das die Probleme seiner Jugend nicht ernst nahm. Auf dem 2. Album der Onkelz gab es kein Lied mehr, das sich mit dem Thema "Deutschland" beschäftigte.

"Signum des Verrats" hatten sie für Mitläufer aller Art geschrieben und für diejenigen, die ihre Ideale und ihren Stolz an die Politik oder an irgendjemand anderen verkauften. In den Fußballstadien, den Kneipen und an den Treffpunkten der Skins tauchten immer wieder Scheitelträger auf, verteilten rechtes Propagandamaterial und versuchten sich beliebt zu machen. Ebenso ließen sich Journalisten vom Stern, Spiegel und der Bildzeitung blicken und stellten Fragen über Politik und Rassismus. Gerne legten sie den Jugendlichen die Worte in den Mund oder sie spekulierten sich ihre Artikel zusammen. Die B.O. hatten sich weder von links, noch vom Kommerzpunk oder der neuen deutschen Welle einfangen lassen. Nun erneut mitansehen zu müssen, wie das, was man mitaufgebaut hatte nach rechts abglitt, war schmerzhaft. Es gab einige Angebote von rechtsradikalen Parteien und Verbänden an die B.O. Sie wurden mehrmals gebeten, gegen eine angemessene Gage auf Grillfesten und Kundgebungen zu spielen, aber jedesmal lehnte die Band dies Anfragen einstimmig ab. Niemals würden sie mit Linken, Rechten oder Scheitelträgern gemeinsame Sache machen und sich vor den Karren einer Partei spannen lassen. In einer Zeit, als ihnen die deutsche Skinheadszene zu Füßen lag und ihr Einfluß auf die Glatzen groß war, weigerten sie sich, für rechte Parteien auch nur eine Note anzuschlagen. Auch das sprach sich herum. Den Medien, die alle Skins immer wieder in einen Topf warfen und von nichts eine Ahnung hatten, widmete die Band das Lied "Hässlich, brutal und gewalttätig.
Im August 85 fand ein großes Skinhead Open-Air Festival in der Nähe von Lübeck statt. Open-Air bedeutete in diesem Fall, dass sich eine Menge von rund 600 Glatzen mit Anhang vor einer winzigen Bühne zusammendrängte. Für die Onkelz war es die 2. Show, seit sie im vorletzten Jahr in Berlin waren. Ihr Ruf als angesagte Skinheadband, hatte sich im Laufe der letzten Monate noch gefestigt. "Böse Menschen - böse Lieder" war seit Mai im Handel. "Der nette Mann" war zum Meilenstein in der Szene geworden und die Erwartungen des Publikums waren entsprechend hoch.
Mit seinem Motörhead T-Shirt und seinen Turnschuhen verstieß Gonzo am brutalsten gegen die strengen Klamottenregeln der Skins. Gonzo, der noch vor einem Jahr mit Haut und Haarendem Kult anhing, hatte keine langen Erklärungen gebraucht. Er hatte selber gemerkt, in welche Richtung die Skinheadszene marschierte. Die Grundlage seiner Musik aber war stark und vielschichtig. Gonzo beherrschte sein Instrument auf jede erdenkliche Art.Stephan war ein scharfer Beobachter und durchaus in der Lage, das, was er sah, in prägnanten Versen zu beschreiben. Vorgetragen von Kevin, entfesselten diese Reime erst ihre Kraft.Kevin verkörperte den Onkel par exellence. Tätowiert bis zu den Schultern, glatzköpfig und mit ungebremster Energie sprang er herum.Schnell und hart röhrte er die Worte in das Mikro. Kevin gab jedem Zuschauer, das wofür er gekommen war. "Fußball und Gewalt", "Signum des Verrats", "Heute trinken wir richtig", "Hass", "Stolz", "Deutschland", "Der nette Mann" und das neue Stück :

Wenn einer ein Tier sein und darüber singen konnte, so war es Kevin. Er war fähig, das wilde Monster aus sich herauszuholen. Seine ganze erschreckende Brutalität legte er in diese eineinhalb Stunden und gewährte den Skins einen kurzen Einblick in sein inneres Durcheinander, seine ganz persönliche Hölle. Die Kombination von Stephans Intellekt, von Kevins Vortrag, Gonzos Virtuosität und Pe`s Schlagzeugspiel ergaben eine einzigartige  und explosive  Mischung. Das Konzert verlief friedlich. Die Onkelz wurden nach diesem Konzert in einigen Skinheadfanzines, die die Band vorher in den Himmel gehoben hatten, als uncool und zu "Heavy Metal" bezeichnet.
Die eigene Szene begann die Band in den Schmutz zu ziehen.

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