Dienstag, 7. Juni 2011

Die Geschichte Teil 3 - Kindheit von Kevin

Stephan hauste in einem 12qm großen Kellerraum. Im Sommer 1979 hatte man ihm, aufgrund seines unverschämten Benehmens, den Hauptschulabschluss nicht erteilen wollen und wie schon einmal zuvor explodierte er mitten in der Schule. Auf seiner Kreidler war er durch die Flure der Hösbacher Hauptschule geknattert. Danach war er von der Schule geflogen. Im Moment schwankte er zwischen Punk und dem Puff hin und her. Tex war der Meinung, Stephan sollte beginnen seine eigene Kohle zu verdienen. Also nahm er seinen 16jährigen Sohn im Sommer 79 mit ins Bordell und stellte ihn seinen Kollegen vor.
Stephan war schlagfertig und frech, er ließ sich keine dummen Sprüche gefallen und konterte geschickt, was ihm schnell eine Menge Sympathien bei den älteren Luden einbrachte. Die Ludenprägung nahm ihren Lauf. Mit 16 übernahm Stephan einen Job hinter der Theke einer kleinen Kneipe, die dem Puff in der Allerheiligenstraße angeschlossen war.

In die Friedhofstr. 17, das Reihenhaus gleich neben Weidners, war im Frühjahr 77 eine Familie aus Hamburg gezogen. Familie Russell. Der Vater schien nie zu Hause zu sein, und die Mutter, so sagte man, hatte ein großes Alkoholproblem.
Stephan hatte sich mit dem älteren Sohn Kai angefreundet. Kais jüngerer Bruder Kevin wurde von den meisten Jugendlichen zunächst nicht für voll genommen.
Im August hatte Peter noch den Kontakt zu Kevin gesucht, aber seit September 79 traf er sich mit Kai und Stephan fast jeden Abend in Stephans Keller. Im Herbst kam schließlich Kevin dazu. Er war der mit der Armyjacke und dem Einschußloch. Ein zielloser schmächtiger Desperado von 15 Jahren, der dringend Anschluss benötigte. Er begriff sehr schnell, dass es in erster Linie um Spaß haben, saufen und "Anti-sein" ging. Wann immer es darauf ankam große Mengen Bier zu trinken oder viel Scheiße zu erzählen, gab sich Kevin die größte Mühe mitzuhalten.
Kevin Russell war am 12. Januar 1964 in Hamburg als 3. und verspätetes Kind in eine Familie von fragwürdiger Harmonie hineingeboren. Eigentlich war er schon das 3. überflüssige Kind in einer Ehe, die nie hätte geschlossen werden dürfen. Als Kevin noch ein Kind war, begann seine Mutter zu trinken. Der Anblick seiner betrunkenen Mutter verfolgte ihn täglich. Noch in Hamburg hatte er seine Mutter unzählige Male mit seinem Bruder bei der Nachbarin abholen müssen. Morgens um 4:00, in der Schubkarre.
Herr Russell, wenn er mal zu Hause war, brüllte seine Frau an und zusammen schrien und schlugen sie auf die Kinder ein. Viele Male hatte Herr Russell seine Söhne verprügelt, aber niemand musste so viel einstecken wie Kevin. Mit Gürteln, mit Holzlöffeln oder mit der Faust. Als er 15 war wurde die Gewalt seines Vaters allmählich weniger, von einer heilen Familiensituation konnte dennoch keine Rede sein. Der einzige Lichtblick im Zusammenleben der Russells bestand darin, dass Kevins Vater die ganze Familie einmal pro Jahr nach Kenia einlud. 1977 hatte er dort ein Haus gebaut, in dem die Familie regelmäßig Urlaub machte. Dort entdeckte Kevin seine Liebe zur Hochseeangelei, die ihn nie wieder losließ. Die meiste Zeit aber war Kevin allein zu Hause.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen